Vertreibung:
Erste wilde Trecks im Juni 1945 und Vertreibung
ein Zeitzeuge (ein 12-jähriger Junge aus Zedlitzheide) berichtet:
>> Einige Männer aus dem Ort wurden von den Polen
zum "Rausschmeißer" beordert; Erkennungszeichen eine rote
Armbinde, die deutschen Dorfbewohner mußten alle eine weiße
Armbinde tragen. Die Männer mit der roten Armbinde hatten die Aufgabe,
die von den Polen ausgesuchten Familien aus den Häusern zu holen und
zum Hacketeich zu bringen, wo dann der Treck mit alten Leuten und Mütter
mit ihren Kindern zu Fuß ins Ungewisse getrieben wurden.
Die bewaffneten Milizionäre hoch zu Roß begleiteten unseren Treck.
Es durfte keine Lücke im Treck entstehen, sofort wurde rücksichtslos
zugeschlagen und weitergetrieben; die Behandlung war unmenschlich! Mit meiner
Mutter und meinem Freund, Manfred und allen Leidensgenossen zogen wir nun,
wir hatten einige Habseligkeiten auf unserem kleinen Leiterwagen, in Richtung
Schweidnitz. Von Schweidnitz ging der Treck nach Striegau. In Striegau kamen
wir in das ehemalige Kampfgebiet und fanden eine Trümmerwüste
vor. Es war sehr heiß, Hunger und Durst quälten uns sehr. Aus
den Trümmerfeldern kam unerträglicher Leichengeruch. Viele abgeschossene
russische Panzer lagen am Straßenrand, ab und zu sahen wir deutsche
Soldatengräber. Eine erschossene Frau lag noch im Straßengraben.
Augenzeugen berichteten, daß die Frau von Polen erschossen wurde.
Das Gelände rechts und links der Straße war vermint, bei einer
Rast zwischen Striegau und Jauer wurde eine Person Opfer einer Mine. In
den ehemaligen Kampfgebieten waren riesige Schwärme von Schmeißfliegen
eine große Plage für uns. Jauer fanden wir ebenfalls stark zerstört
vor. Der Treck kam bis kurz vor Goldberg, dort wurde halt gemacht. Kurz
vor dem Weitermarsch kam plötzlich ein Auto mit Engländern, Amerikanern
und Holländern. Sie erteilten der polnischen Miliz den Befehl, den
Treck wieder nach Hause zu bringen, auch sollte keiner der Menschen geschlagen
oder getötet werden. Ein Aufatmen ging durch unsere Reihen; wir durften
also wieder heimwärts ziehen!
Als das Auto der Alliierten außer Sicht war, ritt ein Milizionär
in die Menschenmenge hinein und schlug mit der Reitpeitsche auf die Menschen
ein. Von den Peitschenhieben sind meine Mutter, mein Freund und ich zum
Glück verschont geblieben. Auf dem Rückmarsch stillten wir den
Hunger mit Kartoffeln aus den Mieten und unreifen Äpfeln, die an den
Straßenbäumen hingen. Die Miliz ließ uns jetzt unbehelligt
heimwärts ziehen. Kurz vor Schweidnitz wurden wir Wüstewaltersdorfer
von den Lastautos der Fabrik abgeholt. So blieb unserem Elendszug der beschwerliche
Anstieg ins Gebirge erspart. Zuhause angekommen fanden viele der Dorfbewohner
ihre Wohnungen ausgeplündert vor, wir hatten aber Glück, unsere
Wohnung war nicht geplündert worden.
Was uns an Unmenschlichkeit auf diesem Treck widerfahren ist, kann ich nicht
mit Worten beschreiben. Nicht lange nach dem 1. wilden Treck wurden die
Dorfbewohner zum 2. wilden Treck abgeholt. Als die Miliz kam, um uns abzuholen,
hatten wir uns im Ziegenstall versteckt. Es war ein großes Glück,
daß der zweite Mann von Ida W., er war Holländer, die Miliz abwimmeln
konnte. Der 2. wilde Treck soll bis nach Jägersdorf gekommen sein.
Auch dieser Treck von alten Menschen, Frauen und Kindern kamen am Ende ihrer
Kräfte ins Dorf zurück. <<